Am Heiligen Abend waren wir in der Kirche. Aus persönlichen Gründen mal auswärts. Normalerweise Routine war der Besuch des Gottesdienstes ein Highlight. Der Pfarrer ließ sich vom Altar die Krippenfigur des Joseph bringen und begann eine Geschichte zu erzählen.
Joseph, der leidet, weil seine Frau ein Kind von einem Anderen bekommt, kümmert sich um alles. Er führt den Esel, macht das Feuer, fegt den Stall und steht seiner Frau in all den Widernissen bei. Kein Engel ist ihm erschienen, kein Komet hat ihm den Weg gezeigt, er ist einfach nur da.
Von allen in der Krippe wird ihm die geringste Aufmerksamkeit zuteil. Joseph hat sich in seiner Rolle gefunden, Klagen sind nicht bekannt. Die Bezeichnung „Jesus, Sohn des Josef“ findet sich nur im Johannesevangelium. Ansonsten wird Josef in den Evangelien und allen übrigen neutestamentlichen Schriften nicht erwähnt.
Wir wissen nicht, welchen Dank er erhalten hat. Er bleibt – obwohl in unverzichtbarer Rolle – eine Randfigur im Krippenspiel.
So ergeht es vielen Menschen im Unternehmen. Sie tragen Wesentliches zum Erfolg bei ohne wirklich aufzufallen.
Wer nicht auffällt wird zwar nicht wahrgenommen, erregt aber keinen Neid, wird selten kritisiert und ist im Team meist beliebt, weil er den anderen notwendige Routinearbeiten abnimmt, sie damit unter Umständen erheblich entlastet und womöglich entscheidend zu deren Erfolg beiträgt.
Wohl dem, der einen „Joseph“ im Team hat.
