Noch ist Ruhe im Karton. Das könnte sich bald ändern. Welche weiteren Veränderungen die DSGVO nach ihrem Inkrafttreten für Verbraucher und Unternehmen 2020 mit sich bringt, ist abhängig von den nächsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und der Datenschutzbehörden.
Während einige Vorgaben schon feststehen, stehen weitere Regulierungen noch in den Sternen. Die neue Klage von Max Schrems (noyb) vor dem EuGH richtet sich gegen die „Privacy Shield“-Übereinkunft der EU-Kommission und damit gegen den Transfer von Nutzerdaten in die USA. Hier beginnen nun auch die USA nachdenklich zu werden. Das kalifornische Verbraucherdatenschutzgesetz (CCPA) tritt am 1. Januar 2020 in Kraft. Das CCPA ist das erste bedeutende Gesetz in den USA, das die Idee der in Europa verabschiedeten Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) aufgreift: Jeder soll über seine „persönlichen Daten“ entscheiden und verfügen können. Und es wird nicht das letzte seiner Art in den USA sein.
Stand und Gegenstand der Diskussion um einen erweiterten Datenschutz
„Privacy by Default“ macht es erforderlich, Voreinstellungen datenschutzfreundlich zu gestalten, so dass die personenbezogenen Daten von Verbrauchern ohne besondere Anpassungen von vornherein geschützt sind. Der Link zur Datenschutzerklärung muss von jeder Seite der Website aus erreichbar sein und die Einwilligung zur werblichen Nutzung rechtssicher eingeholt werden, d.h. dem Nutzer bleibt nichts anderes übrig, als dem Setzen von Cookies aktiv zuzustimmen.
Bislang hat die europäische Datenschutz-Grundverordnung wenigstens dazu geführt, dass man auf jeder Website mit einem Pop-up-Fenster zum Datenschutz begrüßt wird. Doch die Häkchen zur Zustimmung werden weiterhin meist bedenkenlos angeklickt.
Selbst wenn der Nutzer dem Setzen von Cookies überlegt zustimmt, ist offen, in welchem Maße künftig Cookies gespeichert und für die zielgerichtete Nutzung von Online-Kontakten verwendet werden dürfen. Die ePrivacy-Verordnung, eine weitere europäische Gesetzesinitiative, die bis zum heutigen Tag nicht rechtskräftig ist, soll den Schutz der Privatsphäre zur Standardeinstellung machen und dabei die Cookie-Nutzung verbindlich regeln. Wie ist bis zum jetzigen Zeitpunkt unklar.
Stirbt der Cookie aus?
Berechtigt zu sein, die Erwartungen und das Verhalten von (potentiellen) Kunden zu analysieren, war bislang von unschätzbarem Wert. Stand jetzt, werden wir nicht umhin können mit Einschränkungen zu rechnen. Cookies helfen u.a. dabei die Qualität der Inhalte zielgruppenspezifisch zu erkennen. Ohne Cookies sind alle im Blindflug unterwegs. Das kann gut gehen – oder auch nicht. Von seriösen Anbietern verantwortungsvoll eingesetzt, haben von Cookies Anbieter und Konsumenten in vergleichbarer Weise profitiert. Wer möchte jedes Mal das Anforderungsformular neu ausfüllen? Oder mit Werbung eingedeckt werden. die absolut nicht interessiert? Der Wegfall von Cookies wird es erschweren, Verbrauchern Orientierung und Hilfe ohne größere Umstände anzubieten.
Bitter könnte es vor allem für große Produktanbieter werden, die nach einem Verzicht auf die hemmungslose Speicherung personenbezogener Daten mit hohem Aufwand alternative Konzepte entwickeln müssten. Falls das beschrieben Szenario eintritt, wird voraussichtlich nur eine Informationsasymmetrie durch eine andere ersetzt.
And the Winner is: Google!
Vom „Worst Case“ wird vor allem Google profitieren. Unternehmen, Organisationen und Institutionen werden Schlange stehen, da Google weiterhin über zahlreiche Datensammlungen verfügt: Die Web-Analytics-Software, den Chrome-Browser, das mobile Betriebssystem Android und die Werbebuchungs-Tools der Google Marketing Platform. Datenbasierte Display-Werbung bei Google verbleibt als eine Alternative, um genau dann für ein Unternehmen zu werben, wenn Nutzer online recherchieren, sich Videos auf YouTube ansehen, in G-Mail aktiv sind oder ein Mobilgerät bzw. Apps verwenden. Über das Google Displaynetzwerk werden 90 % der Internetnutzer weltweit erreicht. Google gilt mit seinem AdWords– bzw. AdSense-Netzwerk als der größte Vermittler von Werbung im Online-Marketing. In der EU bekommt Google zunehmend Gegenwind und musste bereits hohe Geldstrafen verkraften. Google habe mehr als zehn Jahre lang seine marktbeherrschende Stellung missbraucht und anderen Unternehmen die Chancen auf fairen Wettbewerb und Innovationen verbaut. Insbesondere Internetportalen, die AdSense einbanden, seien vertragliche Beschränkungen auferlegt worden, andere Anbieter zu nutzen, so die EU Wettbewerbskommission.
Google reibt sich dennoch derzeit die Hände, auch weil sich Microtargeting über soziale Medien immer teurer gestaltet. Falls die Speicherung von Kontaktdaten wegfällt, haben Unternehmen erhebliche Mittel fehlinvestiert. Viele spezialisierte Agenturen werden diese Entwicklung wahrscheinlich nicht überstehen. Bislang sprechen wir von einem Trend, der bereits erhebliche Unruhe auslöst. Sollte es tatsächlich soweit kommen, wird es wesentlich aufwändiger Botschaften im Internet, ohne große Streuverluste zu verbreiten. Die daraus folgende ungehemmte und unkontrollierte Informationsverteilung dürfte für alle Beteiligten von Nachteil sein.